Inhaltsverzeichnis
Was sind die rechtlichen Grundlagen dafür, dass die Presse informiert werden muss?
Im Grundsatz ist zwischen einer möglichen eigenständigen Informationspflicht der staatlichen Stellen und der Pflicht zur Auskunftserteilung durch die staatlichen Stellen zu unterscheiden.
Der einfachgesetzliche Auskunftsanspruch
Der einfachgesetzliche Auskunftsanspruch der Presse ergibt sich aus § 4 des Hessischen Landespressegesetzes. Ähnlich gestaltete Anspruchsgrundlagen finden sich in allen Pressegesetzen der Länder. Demnach sind die Behörden, somit auch die Polizei, verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Diesem Auskunftsrecht der Presse entspringt jedoch grundsätzlich keine eigenständige Informationspflicht der Behörden.
Staatliche Öffentlichkeitsarbeit
Staatliche Öffentlichkeitsarbeit stellt zwar grundsätzlich eine anerkannte Staatsaufgabe dar und umfasst unterschiedliche Formen, wie Auskünfte, Warnungen, Empfehlungen, Berichte, Gutachten sowie sonstige Informationstätigkeiten der Verwaltung. Dabei handelt es sich sozusagen um eine Ergänzung des formalisierten Verwaltungshandelns, woraus folgt, dass die Informationstätigkeiten traditionell gesetzlich nicht konkret geregelt sind, sondern überwiegend vorausgesetzt werden. Dies führt natürlich zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit, nicht nur was die Zulässigkeit des Informationshandelns, sondern auch, was die Unzulässigkeit des Informationshandelns betrifft. So hat sich die staatliche Öffentlichkeitsarbeit unter anderem an die Gebote der Sachlichkeit und Richtigkeit, der parteipolitischen Neutralität sowie dem Grundsatz der Staatsferne der Presse zu halten.
Gewährleistung der Pressefreiheit und der Berichterstattung
Zu gewährleisten ist jedoch, dass die Presse ihre Aufgabe der Berichterstattung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wahrnehmen kann. So ist das Informieren der Bürger auch als Ausfluss des Demokratieprinzips unverzichtbar, da die politische Willensbildung eine gute Informationsgrundlage voraussetzt.
Übertragung der Öffentlichkeitsarbeit an Behörden
Die Übertragung der Öffentlichkeitsarbeit erfolgt dabei meist im Rahmen interner Verwaltungsanweisungen an die Behörde. In diesem Zusammenhang wird nicht nur die Erfüllung des Auskunftsanspruchs übertragen. So hat beispielsweise das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW einen Erlass veröffentlicht, in dem es allgemeine Ziele und Maßstäbe der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei umreißt. Demnach hat die Polizei neben der Erfüllung der Informationsverpflichtung nach dem presserechtlichen Auskunftsanspruch des Landes NRW (entspricht im Wesentlichen § 4 des Hessischen Landespressegesetzes) auch die Grundlage für eine objektive Berichterstattung in den Medien zu schaffen (https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&gld_nr=2&ugl_nr=2051&bes_id=19544; zuletzt abgerufen am 22.05.2024). Diese Grundsätze lassen sich im Wesentlichen auf die Polizeibehörden anderer Länder übertragen.
Begrenzung der Durchsetzbarkeit interner Verwaltungsanweisungen
Im Gegensatz zum presserechtlichen Auskunftsanspruch können interne Verwaltungsanweisungen, aus denen sich eine grundsätzliche und grob umrissene Pflicht zur Informationsbereitstellung ergibt, nicht gerichtlich durchgesetzt werden. So leitet auch das Bundesverfassungsgericht aus der Gefahr eines Legitimationsdefizits lediglich die grundsätzliche Ermächtigung und Zulässigkeit staatlicher Öffentlichkeitsarbeit, nicht jedoch die Verpflichtung ab, BVerfG, Urteil vom 02.03.1977 – 2 BvE 1/76.
Welche Informationen müssen bei einer Straftat an die Presse weitergegeben werden?
Aus dem gesetzlich normierten Auskunftsanspruch nach § 4 des Hessischen Landespressegesetzes ergibt sich, dass „die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte“ zu erteilen sind. Eine positive Definition oder eine weitere inhaltliche Einschränkung erfolgt dagegen nicht. Daraus folgt ein Auswahlermessen der Behörde, welches gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist.
Damit wird zunächst nur vorausgesetzt, dass ein legitimes öffentliches Interesse an dem jeweiligen Auskunftsgegenstand besteht. Dies lässt sich auch auf die eigenständige Information durch die Polizeibehörden übertragen. Soweit der Auskunftsanspruch besteht, ist dieser durch die Beantwortung spezifischer Fragen zu erfüllen.
Der Inhalt bzw. der Umfang der jeweiligen Information ist einzelfallabhängig, beschränkt sich jedoch auf die Wiedergabe von Tatsachen, die bei den jeweiligen Behörden bekannt sind oder im zumutbaren Maße ermittelt werden können. Kein Anspruch besteht darauf, dass die Behörde den Sachverhalt bewertet oder unbestimmte Vorhaben bzw. Pläne mitteilt.
Besondere Maßstäbe bei Ermittlungsverfahren
Grundsätzlich ist die Tätigkeit von Ermittlungsbehörden, Gegenstand eines berechtigten Informationsinteresses und damit zulässiger Gegenstand des presserechtlichen Auskunftsanspruches. Bei der Information über strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gelten jedoch besondere Maßstäbe. So führt das über Art. 5 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Berichterstattungsinteresse zu einer Kollision mit den Persönlichkeitsrechten von einer solchen Verdachtsberichterstattung betroffenen Personen oder Unternehmen. Diese Interessen hat die Polizeibehörde auch im Rahmen ihrer Berichterstattung in Ausgleich zu bringen. Insbesondere ist die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK zu beachten.
Des Weiteren ergibt sich auch aus § 4 Absatz 2 Nr. 3 des Hessischen Landespressegesetzes ein Auskunftsverweigerungsrecht, wenn ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. Auch dies haben die Ermittlungsbehörden im Rahmen ihrer eigenständigen Informations- und Öffentlichkeitsarbeit zu beachten. Bei einer Verletzung schutzwürdiger Interessen, sind die Ermittlungsbehörden nicht zur Öffentlichkeitsarbeit ermächtigt.
Dies führt im Ergebnis dazu, dass über Ermittlungsvorgänge so berichtet wird, dass die Identität betroffener Personen oder getöteter Personen nicht preisgegeben wird. Angaben über Körperschäden nach Unfällen beschränken sich auf den Grad der Schwere. Wertungen oder Äußerungen zur Strafbarkeit bzw. Vorwerfbarkeit erfolgen nicht. Etwaige Diskriminierungen sind zu unterlassen. Zudem sind keine Tatanreize zu verschaffen.
Diese Vorgaben sind oft verwaltungsintern festgelegt. Teilweise sind diese auf den Webseiten der polizeilichen Pressestellen veröffentlicht.
Gibt es Unterschiede bei den Delikten?
Es gibt durchaus Unterschiede je nach Delikt. So wirkt sich die Schwere des Delikts bereits auf die Aufgabenzuweisung der Öffentlichkeitsarbeit aus. So ist es in der Regel so, dass die Staatsanwaltschaft bei Delikten größerer Kriminalität an der Öffentlichkeitsarbeit beteiligt werden muss oder diese vollständig durchführt. Dies gilt jedoch meist nicht für Strafsachen leichterer oder mittlerer Kriminalität.
Die Schwere der Kriminalität hat auch zwangsläufig ein erhöhtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit zur Folge, welches die Polizei zu bedienen hat. Doch mit der Schwere des Delikts steigt meist auch die persönliche Betroffenheit der Beteiligten, sodass auf eine grundrechtssensible Berichterstattung zu achten ist.
Welche zeitliche Verzögerung ist maximal zulässig?
Wie bereits erläutert, stellt die eigenständige Berichterstattung seitens der Behörde eine Abwägungsentscheidung dar. Dies wird dadurch verstärkt, dass es sich bei dem oben genannten Beispielsfall um eine Verdachtsberichterstattung handelt. Hinzukommt, dass mutmaßlich ein Tötungsdelikt vorlag, sodass die Interessen der Betroffenen auf Täter- und Opferseite besonders hoch wiegen. Darüber hinaus dürfen Ermittlungsorgane nur dann informieren, wenn ein Mindestbestand an Verdachtstatsachen vorliegt und ein überwiegendes Interesse an der Berichterstattung besteht. Darüber hinaus ist auf eine offene und nicht vorverurteilende sowie ausgewogene Darstellung zu achten.
Mangels eigenständiger Information konnte sich im vorliegenden Fall auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch berufen werden. Eine Vorgabe in zeitlicher Hinsicht ergibt sich zunächst nicht aus den gesetzlichen Vorgaben des § 4 LPressG. Daraus folgt, dass dies grundsätzlich einzelfallabhängig zu bestimmen ist. Entscheidend ist, dass die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe im Sinne der Pressefreiheit, noch möglich ist. Steht dies in Gefahr, ist eine eilgerichtliche Durchsetzung des Anspruchs zu empfehlen.
Warum wird manchmal gar nicht informiert?
Die Grenzen der Berichterstattung ergeben sich ebenfalls aus den jeweiligen verwaltungsinternen Vorgaben. So ergibt sich beispielsweise aus dem Medienkodex der Polizei BW, dass zur Vermeidung von Nachahmungseffekten oder Tatanreizen im Einzelfall eine Zurückhaltung in der Berichterstattung angezeigt sein kann. Gleiches gilt bei der Berichterstattung über Selbsttötungen. Hier erfolgt beispielsweise keine proaktive Berichterstattung. Des Weiteren findet auch die Berichterstattung über Tätigkeiten, für die andere Behörden zuständig sind, nur nach Rücksprache statt.
Ferner können auch die gesetzlich normierten Auskunftsverweigerungsrechte im Rahmen des presserechtlichen Auskunftsverweigerungsrecht nach § 4 Absatz 2 des Hessischen Landespressegesetzes auf die proaktive Berichterstattung übertragen werden. So können Auskünfte verweigert werden, soweit
- hierdurch die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte oder
- Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen oder
- ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder
- ihr Umfang das zumutbare Maß überschreitet.
Eine weitere wichtige Beschränkung ergibt sich aus möglichen Geheimhaltungserfordernissen. Hierzu zählen dann wohl meist auch die „ermittlungstaktischen Gründe“. Dies ist im Einzelfall auch gleichzusetzen mit dem gesetzlichen Auskunftsverweigerungsrecht der „Vereitlung, Erschwerung, Verzögerung oder Gefährdung von schwebenden Verfahren“ bzw. laufenden Ermittlungsverfahren.
Nur bei restriktiver Anwendung der Ausnahme kann jedoch dem grundgesetzlich verankerten Informationsanspruch der Medien entsprochen werden. Dies bedeutet, dass das Verweigerungsrecht nur bei konkreter Gefahr der Vereitlung oder einer wesentlichen Erschwerung der Ermittlungen greift. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Berichterstattung zu einer unmittelbaren Gefährdung des Opfers führen würde. Die Verweigerung bedarf zudem einer einzelfallbezogenen Darlegung, inwiefern die konkrete Gefahr besteht.
Bei einer rechtswidrigen Verweigerung aus diesem Grund empfiehlt sich eine eilgerichtliche Durchsetzung des Auskunftsanspruchs.
Öffentlichkeitsfahndungen bei kleinen Delikten
Die Behörden sind zur Veröffentlichung von Abbildungen im Rahmen einer Öffentlichkeitsfahndung sowohl im präventiven Bereich nach den Polizeigesetzen der jeweiligen Länder als auch im Rahmen der repressiven Ermittlungshandlungen nach §§ 131 ff. StPO ermächtigt.
Die entsprechende Durchführung liegt im Ermessen der jeweiligen Behörde, welches gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Ausübung des Ermessens beruht auf den behördlichen Erfahrungswerten sowie internen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften. Dementsprechend ist wohl davon auszugehen, dass sich die Behörden auf entsprechende Erfahrungswerte stützen.
So heißt es beispielsweise im Medienkodex der Polizei BW:
„Die Polizei BW wendet sich auch bei Fahndungen an die Öffentlichkeit, bei denen sie auf die Mithilfe der Bevölkerung oder Zeugenhinweise angewiesen ist oder in Fällen aktueller Kriminalitätsphänomene, die eine präventive mit Verhaltenshinweisen verbundene gefahren abwehrende Berichterstattung erforderlich machen.“
Dennoch hat die Behörde auch im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen zu wahren. Darüber hinaus ist eine einzelfallbezogene Abwägung erforderlich und der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Demnach sind zunächst weniger einschneidende Maßnahmen zu prüfen.
Des Weiteren bestimmt § 131 b StPO das Erfordernis, dass der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist. Eine Öffentlichkeitsfahndung bei kleineren Delikten ist dagegen bereits unzulässig. Im präventiven Bereich kommt eine Öffentlichkeitsfahndung nur in Betracht, soweit die Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit anderer Personen sonst nicht möglich ist, so z.B. § 61 POG RLP. Auch dies ist bei kleineren Straftaten eher fernliegend. Zudem bedarf die Öffentlichkeitsfahndung der richterlichen Anordnung.
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