10.000 € Geldentschädigung wegen sexistischer Äußerungen – Anmerkung unserer Anwälte
Das LG Berlin hat mit Urteil vom 16.12.2021 ein Satiremagazin zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 10.000 € verurteilt, nachdem das Magazin sexistische Äußerungen über die Klägerin verbreitet hatte.
Geldentschädigung aufgrund sexistischer Äußerungen
Die Klägerin ist Politikerin und nahm das Satiremagazin zunächst vor dem LG Berlin auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen in Anspruch. Nachdem dieses Verfahren mit positivem Ausgang für die Klägerin nunmehr beendet war, erhob sie gegen das Magazin ebenfalls Klage und verlangte die Zahlung einer Geldentschädigung.
Hintergrund des Verfahrens war ein Artikel des Satiremagazins, welcher sich in Bezug auf die Klägerin insbesondere dahingehend äußerte, dass der einzige Vorteil, welchen die Klägerin im Bundestagswahlkampf gegen ihren Konkurrenten hätte, ihre Sexualität wäre.
Dabei wird in eindeutig überspitzender und satirischer Art und Weise mitgeteilt, dass für die Klägerin lediglich der „G-Punkt als Pluspunkt“ festgestellt werden könne. Der Beitrag äußert demnach den Gedanken, dass lediglich die weibliche Sexualität für die Klägerin sprechen würde und keine weiteren politischen Erwägungen.
Urteil des LG Berlin
Bei der Betrachtung von satirischen Artikeln stellt das LG Berlin auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ab, wonach zwischen dem Aussagegehalt und dem satirischen Gewand der Aussage zu unterscheiden sei. Dabei verwies die Kammer auf ihre Ausführungen im Verfahren um den Unterlassungsanspruch.
Demnach sei Aussagekern, dass politisch nichts für die Klägerin spreche, nicht zu beanstanden, allerdings die satirische Einkleidung. Weil keine Auseinandersetzung in inhaltlicher Form mit der Person der Klägerin stattfand, sondern es sich vielmehr um eine bloße Reduzierung zum Sexobjekt handelt, sei die entsprechende Einkleidung für die Klägerin nicht hinnehmbar gewesen. Es fand nämlich eben keine Auseinandersetzung mit dem politischen Handeln der betreffenden Person statt, sondern sie wurde Opfer rein spekulativer Behauptungen, welche sie in ihrem Kernbereich der Privatsphäre und dem absolut geschützten Bereich der Intimsphäre verletzen.
Folglich kam das Gericht zu der Einschätzung, dass die Verletzung des Persönlichkeitsrechts im streitgegenständlichen Fall einen Eingriff von erheblicher Tragweite darstellt, sodass diese Voraussetzung des Geldentschädigungsanspruches erfüllt sei. Auch durch das Verhalten der Beklagten im Prozessverfahren war erkennbar, dass die Beklagte bewusst eine Verächtlichmachung der Klägerin zum Ziel hatte. Aufgrund der vielfachen Verbreitung der strittigen Äußerungen in sozialen Netzwerken kam das Gericht zu dem Schluss, dass es sich um eine äußerst nachhaltige Persönlichkeitsrechtsverletzung handelt, welche auf Dauer mit der Klägerin verknüpft bleibt.
Herausforderungsgedanke im Presserecht?
Im Rahmen seiner Abwägung befasste sich das LG Berlin insbesondere mit dem sogenannten Herausforderungsgedanken aus dem Deliktsrecht. Im konkreten Fall hatte nämlich die Klägerin sowie ihre Prozessbevollmächtigten nach Erlass der einstweiligen Verfügung, welche den Unterlassungsanspruch der Klägerin bestätigte, die Verfügung über die sozialen Netzwerke geteilt, wobei die streitgegenständlichen Äußerungen ebenfalls mit verbreitet wurden.
Der Herausforderungsgedanke wurde durch die Rechtsprechung im Rahmen der deliktischen Haftung entwickelt und besagt, dass jemand, der durch das vorwerfbare Handeln eines anderen zu einem selbstgefährdenden Verhalten herausgefordert wird, gegen die andere Person einen Anspruch auf Ersatz des Schadens haben kann, welcher infolge des erhöhten Risikos durch die Herausforderung entstanden ist, solange der Willensentschluss, welcher dem selbstgefährdenden Verhalten zugrunde liegt, auf einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation beruht.
Hier sah das Gericht die Voraussetzungen des Herausforderungsgedanken als gegeben an, da die Verbreitung der rechtsverletzenden Äußerungen durch die Seite der Klägerin eine billigenswerte Motivation darstelle. Diese ergebe sich daraus, dass durch einen solchen Beitrag die Öffentlichkeit für rechtswidrige Äußerungen, die als sexistisch zu werten seien, sensibilisiert wird und das sowohl Betroffenen als auch Schädigern aufgezeigt wird, dass man sich juristisch gegen solche Äußerungen zur Wehr setzen kann. Die Verbreitung des Beitrages hätte außerdem ohne Nennung der streitgegenständlichen Passagen nicht den verfolgten Zweck erfüllt, da eine Auseinandersetzung mit der Thematik ansonsten für den Leser nicht in gleicher Weise möglich gewesen wäre.
Urteilsanmerkung unserer Rechtsanwälte Dr. Tobias Hermann und Dr. Severin Riemenschneider
Zum Urteil des LG Berlin und insbesondere zur Anwendung des Herausforderungsgedanken auf den presserechtlichen Sachverhalt haben zwei unserer Anwälte der Media Kanzlei, Dr. Severin Riemenschneider und Dr. Tobias Herrmann, eine Anmerkung in der juristischen Fachzeitschrift „Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht – Rechtsprechungsdienst“ verfasst. Dabei wird die Heranziehung des Herausforderungsgedanken durch das LG Berlin kritisch betrachtet, während gleichzeitig der speziellere presserechtliche Gedanke der Selbstöffnung erläutert, auf den streitgegenständlichen Fall angewendet und im Ergebnis abgelehnt wird.
Die Anmerkung sowie den Verweis zum Urteil des LG Berlin finden Sie hier.