Mutmaßlich Islamistischer Akteur ist Rechtswidrige Meinungsäußerung
Die Presserechtsanwälte der Media Kanzlei waren für ihre Mandanten gegen Tichy erfolgreich. Das Landgericht Frankfurt hat im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens u.a. untersagt, zu behaupten, unser Mandant sei ein „mutmaßlicher islamistischer Akteur“.
Ferner untersagte die Pressekammer des Landgerichts Frankfurt noch weitere Aussagen über unseren Mandanten und unseren weiteren Mandanten, den Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM). Tichy hatte im Rahmen eines Beitrages falsche Äußerungen über unseren Mandanten und den KDDM, aufgestellt und ihm unterstellt, ein islamistischer Akteur zu sein bzw. vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Tichy zeigte sich auf unsere Abmahnung gänzlich uneinsichtig.
Rechtswidrige Meinungsäußerung
Die Bezeichnung als „mutmaßlich islamistischer Akteur“ ist eine unzulässige, rechtswidrige Meinungsäußerung, so das Landgericht Frankfurt. In Bezug auf unseren Mandanten fehlt dem Vorwurf jedwede Tatsachengrundlage. Auch ähnliche tendenziöse Bezeichnungen, mit denen der KDDM im Rahmen der Berichterstattung tituliert wurde, sind falsch und unzulässig.
Identifizierende Berichterstattung
Durch die Berichterstattung wurde das engagierte Mitglied des KDDM massiv in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, weil über ihn identifizierend im Zusammenhang mit den mutmaßlichen Islamismusvorwürfen berichtet wurde. Er ist jedoch, anders als durch das Online-Magazin behauptet, weder ein islamistischer Akteur noch steht er dieser Ideologie nahe. Vielmehr setzt er sich für Werte ein und vertritt eine Auffassung, die auch für gemäßigte Muslime als ungewöhnlich liberal bezeichnet werden kann.
Zudem setzt er sich auf Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung für interreligiöse Zusammenarbeit zwischen Christen, Juden und Muslimen ein – um bestehende wechselseitige Vorurteile abzubauen – sowie für die Förderung der Demokratie in Deutschland ein. Zahlreiche Medien berichten regelmäßig positiv über diese Bemühungen und das ehrenamtliche Engagement. Dies hindert Tichy jedoch nicht, dies falsch und verzerrt darzustellen.
Anwalt für Presserecht
Wir, die Media Kanzlei, haben die Gegenseite abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufgefordert. Das Onlinemagazin wies die Abgabe der Unterlassungserklärung sowie die Erstattung der Rechtsanwaltskosten zurück. Daraufhin haben wir Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Frankfurt gestellt.
In seinem Beschluss vom 31.05.2021 hat das Landgericht die Verbreitung nahezu alle von uns beanstandeten Aussagen untersagt.
Begriff des Islamismus und sein Bedeutungsgehalt
Der Begriff des „Islamismus“ habe keinen feststehenden Bedeutungsgehalt, es dürfe jedoch allen Ausprägungen des Begriffs gemeinsam sein, „dass Islamisten das Ziel verfolgen, eine Gesellschafts- und Staatsordnung auf Basis des islamischen Rechts zu errichten“. Der Leser messe den Begriffen „Islamist“, „islamistisch“ und „islamistischer Akteur“ im Kontext des streitgegenständlichen Artikels einen radikalen Bedeutungsgehalt zu. Die Tatsachengrundlage ist in Bezug auf unseren Mandanten falsch, weshalb die getätigten Meinungsäußerungen unzulässig sind.
Die gesamte lesenswerte Begründung des Beschlusses finden Sie hier:
Der zulässige Eilantrag ist Im Umfang der Anträge zu I. a. c und d begründet. Insoweit bestehen ein Verfügungsgrund und gemäß §§ 823 Abs. 1.1004 Abs. 1 Salz 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 (i.V.m. 1 Abs. 1 im Verhältnis zum Antragsteller zu 2) GG ein Verfügungsanspruch.
Aufgrund der rechtswidrigen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht besteht die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr (vgl. zB. BGH, Urteil vom 04. 12. 2018 – VIZR128/18, GRUR 2019,431 Rn. 9 – Drittunterwerfung im Persönlichkeitsrecht; Urteil vom 04.06,2019 -VI ZR 440/18, GRUR 2019, 1211 Rn. 23 – Hochzeitsfoto). Die Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 ZPO.
Die sich inhaltlich entsprechenden Äußerungen, Güler habe nachweislich einem „mutmaßlich islamistischen Akteur“ die Parteitür geöffnet (Antrag zu I. a) bzw. nachweislich einen „fragwürdigen Akteur, der im Verdacht des Islamismus steht“, in die Partei gebracht”(Antrag zu I. c), sind als Meinungsäußerungen auf nicht erweislich wahrer Tatsachengrundlage rechtswidrig.
Der Begriff des „Islamismus” hat keinen feststehenden Bedeutungsgehalt. Er wird für unterschiedliche Ausprägungen des islamischen Glaubens verwendet, die vom politischen (legalistischen) Islam, dessen Anhänger auf legalem Weg politische Macht anstreben. bis zu Jihadisten reichen, die zum bewaffneten Kampf gegen „Ungläubige” aufrufen und Terroranschläge verüben. Allen gemeinsam dürfte allerdings sein, dass Islamisten das Ziel verfolgen, eine Gesellschafts- und Staatsordnung auf Basis des islamischen Rechts zu errichten. Ein solcher Staat wäre nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar, da die Meinungsfreiheit, die Trennung von Staat und Religion, das Prinzip der Gewaltenteilung und die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht gewährleistet wären.
Im Kontext des streitgegenständlichen Artikels misst der Leser den Begriffen „Islamist“, „islamistisch“ und „islamistischer Akteur“ einen radikalen Bedeutungsgehalt zu. Im Zusammenhang mit türkisch-nationalistischen Organisationen werden im Artikel mehrfach Bezüge zu den Grauen Wölfen hergestellt, bei denen es sich um türkische Rechtsextremisten handelt, die in der Vergangenheit zahlreiche Gewalttaten und Morde begangen haben. Die Unterschrift eines Bildes, das Männer mit türkischen Flaggen vor dem Brandenburger Tor in Berlin zeigt, lautet: „Graue Wölfe-Verbot: CDU und CSU Arbeiten mit Grauen Wölfen zusammen.“ Ein weiteres Foto von Laschet zwischen zwei Herren ist untertitelt: „UNTERWANDERUNG DURCH TÜRKISCHE RECHTSEXTREME -Fernsehbericht: Armin Laschet schützt rechtsextremen grauen Wolf in CDU“. Eine Zwischenüberschrift lautet: „Graue Wölfe, AKP-Lobbyisten und islamistischer Organisationen“. Als islamistisch eingestufte Organisationen werden die vom Verfassungsschutz als solche eingestufte Miili-Görüs-Gemeinde, „CLAIM“, die einen islamistischen Kampfbegriff verwende und nach Bestätigung des nordrhein-westfälischen Landtags drei Mitgliedsorganisationen mit Bezügen zur islamistischen, antisemitischen Muslimbruderschaft aufweise, sowie „Islamic Relief“, deren deutscher Ableger nach Einschätzung des israelischen Verteidigungsministeriums Teil des Finanz-Systems der Terrororganisation Hamas sei, angeführt.
Die sich unmittelbar an diese Darstellung anschließende, mit Antrag zu I. a beanstandete Zwischenüberschrift, versteht der Leser insofern dahin, der Antragsteller zu 2 sei – mutmaßlich – ein entsprechender „islamistischer Akteur“. Ein solches Verständnis liegt jedenfalls nahe. Selbst wenn die in Rede stehenden Begriffe insoweit mehrdeutig wären, wäre für die Frage eines Unterlassungsanspruchs von derjenigen (nicht entfernt liegenden) Deutungsvariante auszugehen, die eine Persönlichkeitsrechtsverletzung begründet (vgl. z.B. BGH, GRUR 2019,1211 Rn. 19 mwN – Hochzeitsfoto).
Das aufgezeigte Verständnis liegt erst recht bei gebotener Gesamtbetrachtung mit der Äußerung gemäß dem Antrag zu I. d nahe. Vor dieser wird berichtet, der Antragsteller zu 2 […] sei Vorsitzender des Antragstellers zu 1 […], zu dem die vom Verfassungsschutz beobachtete Milli-Görüs-Gemeinde sowie mindestens eine Moscheegemeinde gehört habe, die DVDs und CDs des salafistischen Predigers Pierre Vogel empfohlen habe. Zu der Zeit habe der Antragsteller zu 1 nicht am Aussteiger und Präventionsprogramm für Salafisten teilnehmen wollen.
Nach zutreffender Auffassung der Antragsteller erweckt diese Darstellung beim durchschnittlichen Leser den Eindruck, als sei der Antragsteller zu 2 ein radikaler Islamist. Der Begriff „Salafismus” wird insofern wegen des Bezugs zum Prediger Pierre Vogel in einem extremistischen – Terrormilizen nahestehenden – Sinn verstanden wird. Dieses Verständnis wird dadurch gestützt, dass der Antragsteller zu 2 nach dem Artikel für die rassistische Gruppierung „Einladung zum Paradies (EzP)“ tätig war und – jedenfalls nach der streitgegenständlichen Ursprungsfassung – einzelne Mitglieder des Antragstellers zu 1 vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft würden (in der geänderten Fassung heißt es, zu acht Vereinen, die im Jahr 2018 als Mitglieder des Antragstellers zu 1 bezeichnet worden seien, seien laut Landesregierung radikale Bezüge bekannt; dies führte insoweit nicht zu einer anderen Bewertung).
Die aufgezeigte Bewertung greift In das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zu 2 ein. Sie ist in hohem Maße ehrenrührig und geeignet, dessen sozialen Geltungsanspruch und Ruf erheblich zu beeinträchtigen. Im streitgegenständlichen Artikel ist der Antragsteller anhand seines abgekürzten Nachnamens, der mitgeteilten Funktion als Vorstand des Antragstellers zu 1 und seiner CDU-Mitgliedschaft seit dem Jahr 2014 eindeutig identifizierbar.
Bei gebotener Abwägung des Rechts des Antragstellers zu 2 auf Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG. Art. 10 EMRK verankerten Recht der Antragsgegnerin auf Meinungs- und Medienfreiheit ist der Eingriff auch rechtswidrig.
Zwar ist die Bezeichnung des Antragstellers zu 2 als (mutmaßlicher) Islamist bzw. islamistischer Akteur Teil einer kritischen Auseinandersetzung damit, dass die nordrhein-westfälische Staatsministerin Güler solchen Personen den Weg In die CDU bereitet habe. Aufgrund dieses Sachzusammenhangs ist sie dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht von vornherein entzogen.
Allerdings müssen die Interessen der Antragsgegnerin trotz des hohen Schutzguts der Meinungs- und Medienfreiheit im Streitfall hinter dem Interesse des Antragstellers zu 2 am Schutz seiner Persönlichkeit zurücktreten. Die wegen des ehrenrührigen Charakters der Äußerungen analog § 186 StGB darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastete Antragsgegnerin hat keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte vorgetragen, die die Einschätzung trügen, der Antragsteller zu 2 sei mutmaßlich islamistischer Akteur bzw. stehe im oben genannten Sinne im Verdacht des Islamismus.
Soweit sie im vorliegenden Rechtsstreit im Wesentlichen auf seine Funktion als Repräsentant des DITIB verweist, mag der türkische Staat auf diesen Moscheeverband Einfluss nehmen. Denn DITIB ist organisatorisch, personell und finanziell an den türkischen Staat angebunden. Die unmittelbar dem türkischen Präsidenten Erdogan unterstellte staatliche Einrichtung zur Verwaltung religiöser Angelegenheiten in der Türkei „Diyanet“ entsendet für jeweils ein paar Jahre Imame nach Deutschland, die in den Moscheen predigen. Drei türkische Staatsbeamte bzw. Gesandte sind Mitglieder des Bundesvorstands des DITIB. Diesen Umstand hat die Autorin des Artikels allerdings nicht kritisch aufgegriffen und etwa die Vereinbarkeit einer hohen Funktion beim DITIB mit der demokratischen Grundordnung thematisiert, sondern den Antragsteller zu 2 pauschal als mutmaßlichen radikalen Islamisten dargestellt. Dafür bietet die bloße Zugehörigkeit zum DITIB auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Antragsteller zu 2 bei diesem ausweislich seiner Vorstands- und Vorsitzendentätigkeit beim Antragsteller zu 1 eine herausgehobene Funktion innehat, keinen Anhaltspunkt. Zwar geht der Artikel auch darauf ein, dass Güler DITIB-Sympathisanten und AKP-Lobbyisten unterstütze, im Kontext der streitgegenständlichen Äußerungen ist aber, wie oben aufgezeigt, von radikal-islamistischen Organisationen die Rede.
Eine andere Beurteilung folgt nicht daraus, dass die Antragsgegnerin den Standpunkt vertritt, die Antragsteller würden sich zwar vordergründig zur Demokratie bekennen, ließen aber mangelnde Distanz zu extremistischen Verbänden erkennen und gingen nicht proaktiv, sondern erst dann aktiv gegen demokratiefeindliche und radikale Bezüge und Vorkommnisse in Mitgliedereinrichtungen vor, wenn der Druck durch die Öffentlichkeit oder Presse dies erfordere. Selbst wenn es dafür Anhaltspunkte geben sollte, rechtfertigt dies nicht den Eindruck zu erwecken, der Antragsteller zu 2 stehe im Verdacht, ein radikaler Islamist zu sein.
Da die in Rede stehenden Äußerungen geeignet sind, den Antragsteller zu 2 ohne hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkt in einem radikalen Licht erscheinen zu lassen, muss er sich nicht darauf verweisen lassen, ihnen im offenen Meinungskampf verbal entgegenzutreten. Er hat Anspruch auf Unterlassung. Ein überwiegendes Berichterstattungsinteresse der Antragsgegnerin und ein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit bestehen angesichts der einseitig verfälschenden Darstellung nicht.
2. Die mit dem Antrag zu I. c angegriffene Äußerung […] ist – wie die Antragsteller glaubhaft gemacht haben – unwahr und daher zu unterlassen.
a) Nach ihrer zutreffenden Auffassung versteht der Leser die Aussage dahin, Teile der zum Antragsteller zu 1 gehörenden Moscheen oder Einrichtungen würden aktuell vom Verfassungsschutz als extremistisch bewertet.
b) Dies trifft ausweislich der Antwort der nordrhein-westfälischen Landesregierung auf die kleine Anfrage eines AFD-Abgeordneten vom 16.03.2021 nicht zu (vgl. Anlage MKS. GA 96 ff.). Danach sind zwar – wie in der überarbeiteten Fassung des Artikels dargestellt – zu insgesamt acht Vereinen, die zumindest im Jahr 2018 als Mitglieder des Antragstellers zu 1 bezeichnet wurden, extremistische Bezüge bekannt. Keiner dieser Vereine ist jedoch festgestellt extremistisch, in einigen Fällen war eine niedrigfällige extremistische Einflussnahme auf einen Verein feststellbar, in anderen Fällen fungierte eine Moschee lediglich als Anlaufstelle für Personen aus dem Islamistischen Spektrum, ohne dass durch den Verein eine erkennbare Unterstützung von extremistischen Bestrebungen erfolgte (GA 98).
c) Durch die bloße Änderung des Artikels ist die Wiederholungsgefahr insoweit nicht entfallen. Die Antragsgegnerin hat keine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben. Ohne eine solche Ist die tatsächliche Vermutung einer Gefahr der Wiederholung nur ausnahmsweise widerlegt (BÖH, GRUR 2019,1211 Rn. 23 – Hochzeitsfoto). Ein solcher Sonderfall liegt hier nicht vor. Es scheint nicht vollkommen ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin die betreffende Äußerung erneut tätigt.
(Landgericht Frankfurt, Beschluss vom 31.05.2021, 2-03 O 180/21)